In aktuellen Angeboten für Baukredite werben die Banken teilweise mit Kreditzinsen mit einer „1“ vor dem Komma: 1,99% für 10 Jahre Laufzeit sind keine Einzelfälle mehr (bei guter Bonität, sprich hohem Eigenkapitalanteil und niedriger Beleihungsquote und vollständiger Tilung während der 10 Jahre).
Wenn man gleichzeitig bei Festgeld-Vergleichen sieht, dass die besten Banken derzeit bis zu 2,9% Zinsen auf Festgeldkonten zahlen (z.B. die IKB, Credit Europe) oder gar im Höchstfall 3,15% wie die BIGBANK, dann fragt man sich schon, ob die Welt noch ganz so läuft, wie wir sie kennen.
Manch einer mag einwenden, das seien ja Angebote von kleineren, weniger bekannten Kreditinstituten. Aber auch der Vergleich der klassischen, großen, bekannten Player irritiert: Tagesaktuell per 11.11.2013 bietet die Targobank für das Targobank Festgeld bei 6 Jahren Laufzeit eine Guthabenverzinsung von 2,25% p.a. (siehe www.targobank.de/de/sparen-geldanlage/festgeld.html). Gleichzeitig verlangt die Deutsche Bank für eine Baufinanzierung i.H.v. 100.000 EUR Nettodarlehensbetrag bei 5 Jahren Zinsbindung, 25 Jahren Laufzeit und Finanzierungsbedarf bis max. 50% des Kaufpreises gerade einmal 2,19% p.a. Sollzins (www.deutsche-bank.de/pfb/content/privatkunden/produktshop_baufinanzierung.html).
Verkehrte Zins-Welt, oder doch nur seltene Konstellation?
In welchem Zusammenhang stehen die Zinssätze, die Banken für Festgeldanlagen gewähren und für Kredite verlangen? Allgemein formuliert, welcher Zusammenhang besteht zwischen Haben- und Sollzinssätzen? Grundsätzlich gilt: Obwohl sich die beiden Zinssätze grundlegend voneinander unterscheiden, sind sie dennoch untrennbar miteinander verbunden. Dies liegt daran, dass sie beide von der Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus abhängen.
Sowohl der Habenzins als auch der Sollzins werden in Prozent pro Jahr angegeben und können entweder variabel oder fest sein. Bei einer variablen Zinsvereinbarung kann die Bank die Zinskonditionen jederzeit anpassen und sie erhöhen oder senken. Dies ist bei einer festen Zinsvereinbarung nicht möglich, bei der die Konditionen für einen befristeten Zeitraum garantiert sind. Der Habenzins bezeichnet den Ertrag aus einer Geldanlage wie einem Festgeld- oder einem Tagesgeldkonto und stellt für die Bank Ausgaben dar. Diese können durch den Sollzinssatz ausgeglichen werden, der für Kreditvergaben gilt und Einnahmen für die Bank darstellt. Für den Kreditnehmer wiederum stellen die Sollzinsen Kosten dar, die er für die Inanspruchnahme der Finanzierung aufbringen muss.
Die Zinspolitik der Geschäftsbanken hängt einerseits von der aktuellen Unternehmensstrategie und der daraus resultierenden Produkt- und Preispolitik ab, aber…
Bei der Festlegung ihrer Soll- und Habenzinssätze hat jede Bank gewisse Freiheiten und kann die Konditionen unter Berücksichtigung ihrer Einnahmen und Ausgaben sowie ihrer allgemeinen finanziellen Situation ermitteln. Allerdings sind ihre Freiheiten insofern eingeschränkt, als dass die Bank ihre Zinskonditionen nicht vollkommen willkürlich festsetzen kann, sondern sie an die Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus anpassen muss, um wettbewerbsfähig zu sein.
Wenn die Bank beispielsweise im Vergleich zu Konkurrenzanbietern sehr hohe Zinsen für Festgelder gewähren würde, würde sie natürlich Kunden anziehen und einen hohen Zufluss an Einlagen verbuchen. Gleichzeitig würde die Bank allerdings belastet werden, da sie überdurchschnittlich hohe Ausgaben durch die Zinsgutschriften tragen müsste. Diese könnten nur ausgeglichen werden, wenn sie ebenfalls hohe Zinssätze für Kredite verlangen würde, wobei dies wenig erfolgversprechend ist. Kunden mit Finanzierungsbedarf werden kaum ein Kreditangebot mit hohen Zinsen wahrnehmen, wenn sie stattdessen eines mit niedrigen Sollzinsen in Anspruch nehmen können. Ein solches Kreditangebot würde von den Banken angeboten, die auch niedrige Zinsen für Festgelder bieten. Durch dieses Beispiel soll deutlich gemacht werden, dass es imi Durchschnitt nicht möglich ist, hohe Habenzinssätze für Geldanlagen zu nutzen und gleichzeitig von niedrigen Sollzinssätzen für Kredite zu profitieren.
Auf der anderen Seite zeigt unser konkretes Beispiel vom Anfang des Artikels, dass man auch Situationen finden kann, bei denen die Kreditzinsen und die Guthabenzinsen bei großen Geschäftsbanken mehr oder weniger fast gleich sind. Die Erklärung hierfür ist meistens, dass die hohen Guthabenzinsen als Neukunden-Lockmittel genutzt werden: Wenn die Targobank hohe Zinsen für Festgeldanlagen offeriert, tut sie das höchstwahrscheinlich nicht, weil sie sich anderweitig nicht refinanzieren kann (die Geschäftsbanken bekommen derzeit Geld von den Notenbanken zu sehr viel günstigeren Konditionen, als sie den Privatkunden an Habenzinsen bezahlen müssen für Festgeld und/oder Tagesgeld; insofern wäre der Betrieb von Festgeldkonten zum „Einsammeln von Geld“, das man verleihen könne, derzeit nicht nötig). Der Grund ist vielmehr: die Banken hoffen darauf, mit hohen Guthabenzinsen neue Kunden zu gewinnen, denen sie später margenträchtigere Produkte wie kostenpflichtige Girokonten, Premium-Kreditkarten und/oder Versicherungen bis hin zu Altersvorsorgeprodukten verkaufen können. Die vergleichsweise attraktiven Guthabenzinsen sind so gesehen also eine Subvention bzw. Investition in die Neukundengewinnung. Nicht mehr, nicht weniger.
Der Eindruck, die Spanne zwischen Kreditzinsen und Festgeldzinsen würde kleiner werden bis dahinschmelzen, täuscht also. Zumal man natürlich auch differenzieren muss, dass Kreditzinsen für Immobilienkredite grundsätzlich sowieso in den allermeisten Fällen günstiger sind als Kreditzinsen für Konsumentenkredite wie normale Ratenkredite. Das hat damit zu tun, dass bei Immobilienfinanzierungen der Bank eigentlich immer die Immobilie als verwertbare Kreditsicherheit zur Verfügung steht und damit das Kreditausfall-Risiko bei Baudarlehen deutlich geringer ist als bei einem normalen Ratenkredit, mit dem z.B. ein Urlaub oder sonstiger finanzieller Engpass finanziert werden soll. Laut eines aktuellen Vergleichs bei kreditvergleich-sieger.de starten günstige Kreditangebote für Ratenkredite mit freier Verwendung (10.000 EUR, 36 Monate) derzeit bei 2,90% bis 3,70% (Barclaycard, Swkbank, Norisbank).
Sollzinsen und Habenzinsen marschieren im Einklang
Der natürliche Zusammenhang zwischen Soll- und Habenzinssätzen sieht vor, dass beide vergleichbaren Entwicklungen folgen. Wenn der Sollzins hoch ist, muss auch der Habenzins hoch sein. Wenn der Sollzins niedrig ist, muss auch der Habenzins niedrig sein. In absoluten Zahlen bestehen natürlich Unterschiede zwischen einem hohen Kreditzins und einem hohen Anlagezins, so dass sie im Durchschnitt aller Banken nie identisch sein werden. Bei einem mittelhohen Zinsniveau beträgt der Sollzins für Dispositionskredite beispielsweise 10% p.a., während gleichzeitig ein hoher Zinssatz für Sparpläne bei 2,5% p.a. liegen kann. Die Zinssätze sind entweder beide hoch oder beide niedrig oder beide ausgeglichen, da sie von demselben Referenzzinssatz abhängen. Dieser bestimmt die Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus und wird durch eine Zentralbank vorgegeben. Die Europäische Zentralbank beispielsweise legt als Referenzzinssatz den EURIBOR fest und berücksichtigt hierfür verschiedene Faktoren wie wirtschaftliche Entwicklungen und Prognosen sowie die Zahlungsfähigkeit der EU Länder. Wenn Banken dieser Länder Konditionen für ihre Anlage- und Kreditprodukte festlegen, orientieren sie sich am EURIBOR und dem allgemeinen Zinsniveau. Und letztlich stehen die Leitzinsen auch in direktem Zusammenhang mit der Inflation. Zeiten hoher Inflationen sind auch durch hohe Zinsen gekennzeichnet und vice versa.